Vom 17. bis 19. Januar beschäftigt sich das 22. Mannheimer Filmseminar unter dem Motto „Im Dialog: Psychoanalyse und Filmtheorie“ eingehend mit dem Werk des Filmemachers Werner Herzog.
Der Film läuft als Vorblick auf das 22. Mannheimer Filmseminar. Der Besuch dieses Films ist nicht in der Teilnahmegebühr des Filmseminars enthalten.
Kaspar Hauser haust in einem Kellerverlies, isoliert von den Menschen. Eines Tages wird er hinausgeführt und in Nürnberg alleingelassen. Ein Lehrer rettet ihn davor, im Zirkus als Freak begafft zu werden, lehrt ihn Lesen und Schreiben, bringt ihm Religion, Musik und Logik bei.
Werner Herzog erzählt die Geschichte des rätselhaften Findlings Kaspar Hauser weitgehend nach den Überlieferungen des Volkstums, und dringt doch tief ein in eine höhere Realität des frühen 19. Jahrhunderts: Mit diesem wilden Menschen bricht ein Naturwesen in die von der Aufklärung geprägte Kulturgesellschaft ein. Als Hauptdarsteller fand Herzog den Berliner Straßenmusiker Bruno S., der mit seiner ganz eigenen, unvergesslichen Persönlichkeit den Film prägt. „Während bei Truffaut [in DER WOLFSJUNGE], trotz aller Einschränkungen, Optimismus vorherrschte, gibt Herzog dem pädagogischen Fortschrittsglauben keine Chance. Bei ihm vollzieht Erziehung sich als herzlose Dressur, die das Objekt zerstört zurücklässt. Der (ästhetisch vielfach betörende) Film liefert reichen Stoff für Diskussionen.“ (Jury der Evangelischen Filmarbeit, Dezember 1975).
Herzog verwendete den Filmtitel auch als Titel seiner 2022 erschienenen Memoiren.
Peru im 16. Jahrhundert: Spanische Konquistadoren suchen im Amazonasgebiet nach dem sagenhaften Goldland „El Dorado“. Unterführer Lope de Aguirre, ausgesandt zur Dschungel-Erkundung und Nahrungssuche, kehrt nicht zum Haupttrupp zurück, sondern erzwingt eine Rebellion. Sein Ziel ist die Errichtung eines idealen Staates und die Zeugung eines neuen Menschengeschlechts, größenwahnsinnig erklärt er den spanischen König Philipp II. für abgesetzt und nennt sich selbst den „Zorn Gottes“. Mit seinen Soldaten lässt er sich flussabwärts treiben. Hunger, Fieber und Indianerüberfälle dezimieren die kleine Truppe – Halluzination und Wirklichkeit beginnen sich zu vermischen…
Ein Abenteuerfilm im Dschungel, in dem sich Natur, Historie, Wahn, Symbolik und die Wirklichkeit eines strapaziösen Drehs vermischen; Klaus Kinski brilliert als pathologische Führerfigur. AGUIRRE, DER ZORN GOTTES war das erste gemeinsame Projekt des „Duo infernale“ Werner Herzog und Klaus Kinski: „Ich hatte die Fähigkeit, dieses wilde Wesen auf der Leinwand produktiv werden zu lassen“, sagte Herzog 1999 im „Spiegel“-Interview, „deshalb war ich für Kinski ein notwendiger Gegenpart.“
Doppelprogramm mit den Filmen „Fata Morgana“ (1971) und „La Soufrière“ (1976)
Doppelprogramm:
Fata Morgana
DEU 1971. R: Werner Herzog. Essayfilm. 79 Min. FSK: 6
Bilder nicht von dieser Welt: FATA MORGANA ist ein visuelles Erlebnis über Kreation und Transformation. Herzog und sein Stamm-Kameramann Jörg Schmidt-Reitwein suchen die Sahara und die Sahelzone auf, filmen in hypnotischen Aufnahmen. Dabei verbindet Herzog assoziativ die halluzinativen Szenen und poetischen Bilder der faszinierenden Landschaft mit einer herzogschen Variante des Popol Vuh, des Heiligen Buches der guatemaltekischen Maya. Lotte H. Eisner, die große Film-Philosophin und Mentorin Herzogs, liest diesen Schöpfungsmythos, unterlegt ist die visionäre Bild-, Sprach- und Gedankencollage mit Musik unter anderem von Leonard Cohen und Blind Faith. „Hier, vielleicht so stark wie in sonst keinem Herzogfilm (mit Ausnahme von Aguirre), offenbart sich Herzogs ambivalentes Naturverständnis. Die Natur erscheint einerseits in ihrer brachialen Gewalttätigkeit, in ihrer Zerstörungskraft; andererseits aber in ihrer mit Pathos geladenen Überwältigung des Betrachters.“ (filmtipps.at)
La Soufriére – Warten auf eine unausweichliche Katastrophe
DEU 1976. R: Werner Herzog. Dokumentarfilm. 31 Min. FSK: k. A.
La Soufrière, ein Vulkan auf Guadeloupe, scheint 1976 kurz vor dem Ausbruch zu stehen. Werner Herzog reist auf die Insel und harrt zusammen mit einer kleinen Crew aus: Kühne Bilder vom Kraterrand, leere Straßen, ausgestorbene Ortschaften – die Bevölkerung ist weitestgehend evakuiert, nur dieses Filmteam bleibt und wartet auf die Explosion des Berges.
Der Vulkan bricht nicht aus. Die Katastrophe ereignet sich nicht. Oder ist sie nur verschoben?
Rubinglas: Das Geheimnis zu seiner Herstellung geht verloren mit dem Tod des Glasbläsermeisters. Das Dorf verfällt schrittweise in Verwirrung und Wahnsinn, der Hüttenbesitzer engagiert den Hias, einen Seher aus den Bergen, um das Produktionsverfahren des kostbaren Glases aus dem Reich der Toten zurückzuholen. Doch Hias empfängt Visionen von Zerstörung und Wahnsinn – mitten in einem bayrischen Dorf des 19. Jahrhunderts sieht er die Schrecken des 20. Jahrhunderts voraus.
Das Drehbuch – von Herbert Achternbusch! – basiert auf den Legenden um den Weissager Mühlhiesl aus dem Bayrischen Wald. Herzog berichtet, dass er seine Schauspieler (außer Sepp Bierbichler) hypnotisiert habe, was ihrem Spiel eine merkwürdige Stilisierung verleiht; die oft mysteriösen Dialoge wurden demnach unter Hypnose improvisiert. Mit seiner Inszenierungsweise etabliert Herzog eine metaphysisch-entrückte Atmosphäre, die diesem Film eine suggestive Schönheit verleiht. Marcus Stiglegger auf ikonenmagazin.de: „HERZ AUS GLAS ist die vermutlich bildgewaltigste Etüde Herzogs – ein Film wie die Gemälde von Caspar David Friedrich und Arnold Böcklin. [Der Film] belohnt mit Bildern, die man in dieser visionären Dichte allenfalls aus dem osteuropäischen Kino kennt: von Tarkowski und Klimow vielleicht. […] Und Popol Vuhs ätherische Klänge heben diese Eindrücke endgültig in eine entrückte Sphäre.“
Ein Wahnsinnsfilm über ein Wahnsinnsprojekt: Für FITZCARRALDO, die Geschichte eines Musikliebhabers, der sein eigenes Opernhaus im peruanischen Dschungel errichten will, ließ Werner Herzog unter anderem ganz real ein 160-Tonnen-Schiff über einen Berg ziehen. Die von den Geldgebern „nicht diskutierte Selbstverständlichkeit“, Modelle zu verwenden, ließ er nicht gelten. Nachdem Teile des Films mit Jason Roberts, Mario Adorf und Mick Jagger (ja, der Mick Jagger) schon gedreht waren, musste das Projekt komplett wiederholt werden, denn Roberts wurde krank, Adorf und Jagger verließen die Produktion. Der neu engagierte Klaus Kinski hatte am Set dann solche Wutausbrüche, dass als Statisten anwesende Indigene angeblich Herzog anboten, Kinski umzubringen. Vermutlich wäre ohne den schwierigen Dreh dieses atemberaubende Ergebnis nicht möglich gewesen: „FITZCARRALDO ist wuchtiges Kino, das an die Grenzen geht. Besessenheit, der Wille, im wahrsten Sinne des Wortes Berge zu versetzen, der Zwang, eine Vision in die Tat umzusetzen – darum geht es in diesem ebenso epischen wie drastischen Abenteuer-Drama.“ (Deutsche Welle)
3. Juni 1991, Kyushu, Japan: Ein Ausbruch aus Asche und Geröll rast mit über 160km/h vom Gipfel des Mount Unzen und verschlingt alles auf seinem Weg. 43 Menschen sterben, Journalisten, Feuerwehrmänner, Rettungsteams – und das Ehepaar Katia und Maurice Krafft: Die beiden legendären Vulkanologen haben eine Vielzahl von Vulkanen rund um den Globus bereist, sie fingen die Naturgewalten aus nächster Nähe filmisch ein. Aus ihrem Filmmaterial – über 200 Stunden – erschafft Werner Herzog seinen Film, nicht als Biografie, sondern als Würdigung des Filmemacher-Paares Krafft. Herzog, der immer von der unendlichen Gleichgültigkeit der Natur fasziniert war, von ihrer Gewalt und von der Macht, den Menschen staunen zu lassen, destilliert aus den krafftschen Bildern heraus, was ihre Leidenschaft ausmachte. „Das Motiv für THE FIRE WITHIN sei, so raunt es mit charakteristischem Timbre im Voiceover, ‚to celebrate the wonder of their imagery‘. Und in der Tat ist, was wahrzunehmen ist, außerordentlich: das Wunder der Schöpfung aus dem Geist der Zerstörung, begleitet von eigenwillig ausgewählter Musik. Herzog’sches Überwältigungskino.“ (Viennale)
Eine kleine Garnisonsstadt Mitte des 19. Jahrhunderts. Woyzeck dient einem Hauptmann als Bursche und einem Arzt für medizinische Ernährungsexperimente – mit dem bisschen Geld versucht er, seine Geliebte Marie und ihr uneheliches Kind zu ernähren. Doch sie betrügt ihn mit einem Major, Woyzeck hört Stimmen, er ist eifersüchtig und verzweifelt…
Werner Herzog hält sich eng an Büchners Dramenfragment, das sich wiederum an einen realen Mordfall anlehnt. Er begann die Dreharbeiten im tschechischen Telč nur wenige Tage nach seiner NOSFERATU-Verfilmung, um die Erschöpfung seines Darstellers Kinski nach der vorhergehenden, großangelegten Produktion kreativ zu nutzen. Er schafft dabei eine stilisierte Atmosphäre geistigen und gesellschaftlichen Verfalls – und Kinski spielt die Hauptrolle zurückgenommen und verletzlich, wie man es ihm gar nicht zutrauen würde. „Man möchte fast glauben, Herzog habe sich selber beweisen wollen, dass er auch ohne Überdruck, ohne zwanghafte Gigantomanie arbeiten kann. Immerhin wird die gespenstische Ruhe dieses Films, die stummfilmhafte Schlichtheit, mit der Woyzecks Tragödie passiert, dem zornigen Drama Georg Büchners gerechter als jeder expressive Mummenschanz.“ (Die Zeit, 1979)
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