Undercover-Ermittler Fred erhält den Auftrag, einen gewissen Bob Arctor zu observieren – der niemand anderes ist als er selbst. Richard Linklater verfilmt den legendären Roman von Kultautor Philip K. Dick mit Stars wie Winona Ryder, Keanu Reeves, Robert Downey Jr. und Woody Harrelson, doch mit der Technik eines Animationsfilms. In überwältigender visueller Ästhetik zeichnet er das düstere Bild eines paranoiden Überwachungsstaates mit Parallelen zum gegenwärtigen „Krieg gegen den Terror“.

Japan, Mitte der 20er Jahre: In der psychiatrischen Abteilung einer Universitätsklinik erwacht Kure Ichirô, der unter Amnesie leidet, aus seinen Alpträumen. Er kann sich weder an seine Vergangenheit noch an seinen Namen erinnern. Nur der letzte Traum ist tief in sein Gedächtnis eingegraben: Ein Fötus schien wie von Sinnen zu zucken – Ichirô ist sich nicht sicher, ob nicht er selbst dieser Fötus war. Dann wurde eine splitternackte Frau ohnmächtig, die Verzückung stand ihr dabei ins Gesicht geschrieben. Matsumotos Filme zeichnen sich durch die außergewöhnliche Entwicklung der Handlung und das absurde Schicksal der Protagonisten aus. Diese werden zum Spielball des Schicksals und erfahren eine nie erwartete Hölle des Lebens. Auch in DOGURA MAGURA weicht der Regisseur immer wieder den Erwartungen der Zuschauer aus, er erzählt in komplex verschachtelten Strukturen und zieht das Publikum in ein komplexes Labyrinth hinein. “Bei DOGURA MAGURA nun habe ich nicht nur die lineare Entwicklung aufgebrochen, Gegenwart und Vergangenheit, Wirklichkeit und Vorstellung vermischt und restrukturiert, sondern auch die persönliche Betrachtungsweise eines Sachverhalts nach Lust und Laune verrückt und habe mich an einer Schachtelstruktur versucht, ähnlich dem Satze Borges’: “Im Traum eines Jungen öffnet der geträumte Junge die Augen.” (Matsumoto)

„On s’en va, wir verschwinden“, beiläufig spricht Louis die titelgebenden Worte aus, als er von einer Untersuchung aus dem Krankenhaus zurückkommt. So wie er der Konfrontation mit seinem Gesundheitszustand ausweicht, geht Louis auch sonst den Konflikten lieber aus dem Weg. Doch nach 15 Jahren, in denen jede Verbindung zur Familie abgebrochen war, steht er überraschend bei seinen drei Töchtern vor der Tür. Michel Piccoli spielt souverän den schwierigen Alten, der Frau und Kinder einst wegen einer Anderen verließ und sich im Angesicht des Todes vergewissern will, ob er in der Erinnerung seiner Kinder weiterlebt. Mal voll Humor, mal tief traurig analysiert Mouriéras die Komplexität familiärer Bindungen, nicht selten eine Last, die man ein Leben lang mitschleppt und die andere Beziehungen vergiftet. Gleichzeitig läßt der Regisseur auch Sehnsucht nach einer intakten Familie spüren. Die Ambivalenz, die Familie zu hassen und gleichzeitig an ihr zu hängen, trifft er sehr gut. „Miou-Miou und Sandrine Kiberlain genießen es sichtlich, einmal gegen den Strich zu spielen und Natacha Régnier ist …unbedingt sehenswert.“ (epd Film)

„Ein kleiner Schritt für mich, aber ein großer Schritt für die Menschheit.“ Während Neil Armstrong in der Apollo-Rakete Richtung Weltall steuert, macht sich zur selben Zeit ein kleiner roter Skoda auf den Weg ins Wirtschaftswunder-Deutschland. Nach dem gewaltsamen Ende des „Prager Frühlings“ suchen Hannah und ihre Familie in Nürnberg eine neue Heimat. Während die Eltern mit weit aufgerissenen Augen und Mündern dem Konsumrausch erliegen, erinnert sich Hannah an die Würde und Integrität ihres in der CSSR zurückgebliebenen Großvaters. Iva Svarcová weiß, wovon sie erzählt, denn ihr Film basiert zum großen Teil auf persönlichen Erfahrungen. Durch ihre unorthodoxe Sichtweise werden Wirtschaftswunder, deutscher Ordnungswahn und der beidseitige Umgang mit der Geschichte liebevoll auf die Schippe genommen. ALS GROSSVATER RITA HAYWORTH LIEBTE ist ein amüsanter Rundumschlag, bei dem Ost und West gleichermaßen ihr Fett weg bekommen, ohne vorgeführt zu werden.

Nico (gespielt von Regisseur und Drehbuchautor Baillargeat) ist ein Kleinkrimineller, der aus Saumur nach Paris kommt, gerne Schauspieler wäre, aber für den homosexuellen Gangsterboss und Lyrikfreund Le Normand als Drogendealer arbeitet. Auf engstem Raum lebt er mit seinem Kumpel Eric und seinem Bruder Sergio. Folterungen und skrupellose Morde gehören in dieser Welt zum Alltag, auch wenn Nico noch niemanden umgebracht hat. Als Nico erpresst wird, Le Normand einem anderen Gangster auszuliefern, geraten er und seine Freunde in Gefahr. Poesie und Gewalt gehen in diesem Film des 29-jährigen Multitalents Tony Baillargeat eine eigenwillige Mischung ein. Denn wie sagt einer der Gangster im Film: „Gegensätze lassen die Welt sich drehen.“ „Ein Totentanz, der das Publikum sicherlich polarisiert, aber auch zu Tränen rühren kann.“ SÜDDEUTSCHE ZEITUNG

London 1993. Während das WM-Qualifikationsspiel zwischen Holland und England und die Besetzung Srebrenicas ihre kritische Phase erreichen, treffen sich der Serbe Dado Jehan und der Kroate Paruk Pruti im Bus. Eine Begegnung mit Folgen: nach einer irrwitzigen Prügelei unter der Statue Churchills landen beide im selben Krankenhaus, wo der Wahnsinn erst richtig los geht. Weitere Beteiligte: ein Gynäkologe am Rande des Nervenzusammenbruchs, eine sozial engagierte Tochter aus gutem Hause, die sich in einen Flüchtling verliebt und ein Kind, das auf den Namen „Chaos“ getauft wird. Jasmin Dizdar, in Bosnien geboren und heute britischer Staatsbürger, hat Short cuts in London gedreht, im Rhythmus überdrehter Balkanmusik. Aber die Parallelen, die Dizdar von dieser alltäglichen Gewalt, dem alltäglichen Chaos der britischen Gesellschaft zum Krieg in Bosnien zieht, gehen nie so weit, dass der Krieg verharmlost würde. Er beschreibt lediglich Gemeinsamkeiten. Und er konzentriert sich bei seiner Bestandsaufnahme vor allem auf Familien – vermutlich weil diese kleinste Einheit des menschlichen Zusammenlebens die „großen“ Konflikte schon in sich trägt.

Sévérine, eine scheinbar glücklich verheiratete junge Frau, verdingt sich nachmittags im Bordell, um ihre erotischen Triebe auszuleben. Ein Kunde folgt ihr nach Hause und schießt aus Eifersucht auf ihren Ehemann. Neben der (sur)realen Logik des Traums ist die Demaskierung bourgeoiser Obsessionen Buñuels Thema. Und: Catherine Deneuve war nie erotischer als in Luis Buñuels genialem Meisterwerk, kein Wunder also, das es kommerziell sein erfolgreichstes war…

François Ozon, seit SITCOM auch hierzulande einem größeren Publikum bekannt, versucht mit seinen Filmen immer wieder Bilderverbote zu verletzen und die Grenzen des Darstellbaren neu zu vermessen. Anläßlich des Starts seiner Faßbinder-Adaption TROPFEN AUF HEISSE STEINE kommen auch drei seiner Kurzfilme ins Kino. DAS SOMMERKLEID (UNE ROBE D’ÉTÉ, 1995, mit Frédéric Mangenot, Lucia Sanchez, 15 Min.): Ein junger Mann läßt sich nach einem Streit mit seinem Geliebten zum ersten Mal auf ein Abenteuer mit einer Frau ein, bei dem er seine Kleidung verliert. DER KLEINE TOD (LA PETITE MORT, 1994, mit François Delaire, Camille Japy, 26 Min.): Paul, ein schwuler Fotograf, hat mit seiner Familie gebrochen und wird plötzlich mit dem bevorstehenden Tod seines Vaters konfrontiert. Nur fotografierend gelingt es ihm, sich anzunähern – an seine Geliebten beim Orgasmus, an den Vater auf dem Totenbett. BESUCH AM MEER (REGARDE LA MER, 1996, mit Sasha Hails, Marina de Van, 52 Min.): Eine Thrillervariante: eine junge Engländerin macht mit ihrem Baby Urlaub auf einer französischen Insel. Eine wortkarge Tramperin schlägt ihr Zelt in der Nähe des Ferienhauses auf… „In meinen Filmen geht es immer um die Frage nach der eigenen Identität… Heranwachsende sind ideale Hauptfiguren für mich, denn sie entdecken und experimentieren noch.“ (François Ozon)

1939 gründeten die deutsch-jüdischen Emigranten Alfred Lion und Francis Wolf in New York das legendäre Jazz-Label „Blue Note“. Erster Hit-Seller des kleinen Unternehmens, das seinen Sitz an der 63. Straße hatte, wurde „Summertime“ von Sidney Bechet und den Port of Harlem. Mit ihren mehr als 1.000 Veröffentlichungen trug die Firma maßgeblich zur Etablierung des Jazz bei und machte die Musik u.a. auch in Europa bekannt. Julian Benedikt, der von Bill Saxton zum Saxophonisten ausgebildet wurde, versucht in seiner Dokumentation mit vielfältigen filmischen Mitteln – und unter völligem Verzicht auf Autorenkommentare – etwas von den Ursprüngen und der Faszination dieser Musik zu vermitteln. Musik, Interviews, Archivmaterial und atmosphärische Bilder aus New York und Los Angeles gewinnen ein hohes Maß an Dynamik und Harmonie. In seinen stärksten Momenten erreicht der Film die traumwandlerische Rhythmik des Jazz. Für seine lebendige Hommage an die „einzige authentische amerikanische Kultur“ (Gil Melle) wurde Julian Benedikt 1997 für den Grammy als bester Musikfilm nominiert. Wir freuen uns ganz besonders, daß bei diesem Film unsere neue Dolby-Anlage einmal so richtig zur Geltung kommt. Herzlichen Dank an die Stadt, die uns mit ihrer Zuschußerhöhung die Erfüllung dieses lang gehegten Wunsches ermöglicht hat. In Zukunft soll es öfter Musik-Filme geben!

Im Programm 1 der brasilianischen Kurzfilme zeigen wir folgende Filme: DAS ALTER DES MANNES von Afonso Nunes, der einen Mann, ein Zimmer und die Zeit dokumentiert, die nicht vergehen will. MEISTER HUMBERTO von Rodrigo Savastano ist ein Spaziergang in Rio de Janeiro, durch die Stadtteile Lapa und Campo de Santana. Mit Hilfe von Freunden und den Erinnerungen eines schon älteren Lebensschülers mit Namen Humberto de Souza geht es dann sogar nach Afrika. VRRUUMM!!! von Paula Dager ist ein experimenteller Film, der Ölfarbe auf Glas benutzt. Es ist die Verfilmung einer Fantasie über unser alltägliches Chaos. Das ÜBERWACHUNGS-TAGEBUCH von Luís Augusto Jungman zeigt, wie der Alltag eines Paares von Videokameras festgehalten wird, die über die ganze Stadt verstreut sind. Der Moment ist äußerst kritisch, denn sie stehen vor der Trennung. In DIE STUNDE DES HAHNS läßt Regisseur Marcos França überraschende Wahrheiten aus dem Leben zweier Schwestern, die über 80 Jahre alt sind, enthüllen. Lourdes, eine der beiden, glaubt noch am selben Tag zu sterben. Adelina Pontual zeigt in ALTER die ungewöhnliche „Kunstgalerie“ von Cícero Alves dos Santos, der seine „Nation“ bestehend aus gewöhnlichen und mythischen Wesen, aus Tieren und Außerirdischen auf einen Skulpturen-Park unter freiem Himmel aufgestellt hat. Das Programm endet mit HEUTE KOMMT DAS GLÜCK: Alltag. Routine. Eine Geschichte, in der eine Veränderung nichts ändert. Das ist Ruis Leben. Das Leben eines Menschen, der eine Alternative sucht, um glücklich zu sein.

von der Musikkarriere utopisch: Das ist Sallys und Lizas Leben im Londoner Eastend. Eine Nase voll Koks lenkt aber nur vorläufig davon ab, dass ihre Beziehung schwer angeschlagen ist. Liza neigt zu Jähzorn und Eifersucht, Sally versucht Abstand zu gewinnen und erreicht mit ihren unentschlossenen Eskapaden genau das Gegenteil. Kanchi Wichmanns Regiedebüt erzählt von der spannungsgeladenen Beziehungskrise eines lesbischen Paares.

Regisseur Mahamet-Saleh Haroun tastet die Seelenlandschaft der Überlebenden nach dem Bürgerkrieg im Tschad ab: Der 16-jährige Atim will den Tod seines Vaters rächen, dessen Mörder Nassara unbescholten in der Hauptstadt N’Djamena lebt. Er heuert in dessen Bäckerei an. Es beginnt ein Duell zwischen Atim und Nassara, zwischen Schuld und Sühne, Rache und Vergebung. Der afrikanische Regisseur Mahamat-Saleh Haroun präsentiert mit seiner dritten Regiearbeit einen spannenden Film über Amnestie und Toleranz. (also ab 18 Jahren)

In einem Dorf hinter der Chinesischen Mauer sind alte Legenden und Traditionen noch heute lebendig. Die Dorfbewohner glauben, dass ihre unverheirateten Toten sich einsam fühlen und suchen deshalb in magischen Ritualen nach Gefährten für die Unterwelt. Frauenleichen wurden so zur Mangelware, ausgeräumte Gräber sind an der Tagesordnung. In diesem Dorf leben der autistische Junge Sissy, seine kindliche Verlobte Qing Hua und der Waisenjunge Chun Sheng. Sie pflegen eine glückliche, aber heimliche Liebesbeziehung zu dritt. Als Qing Hua im Traum ein rotgekleidetes Mädchen sieht, das von einer Menschenmenge umringt ist, kündigt sich Unheil an. „In diesem Film kann niemand den Menschen besitzen, den er liebt: Alle Figuren scheitern bei dem Versuch, den Geliebten oder die Geliebte zu halten. Der Film fasziniert mit seinem ungewöhnlich dezenten Licht, das einen scharfen Kontrast von Rot- und Schwarztönen erzeugt. Auch die Musik des Films ist sehr gelungen. Ein lange erwartetes Meisterwerk des unabhängigen Hongkong-Films.” (Michelle Sohn in: Katalog des Filmfestivals Pusan, 2003)